Ein Gastbeitrg von Holger Hennig.
»Es ist eigentlich sehr einfach, wenn man es versucht,« so schrieb John Lennon schon vor vielen Jahren, »stell dir einfach vor, es gäbe keine Länder.« Politisch gedacht, ist das ein Ideal. Keine Länder, keine Staaten: Das würde bedeuten, dass es auch keine nationalen Interessen gäbe – die ja immer bedeuten, dass der Staat in dem man zufällig lebt, versucht, einen anderen, in dem man zufällig nicht lebt, zu übervorteilen. Ganz ohne Gesetze und Verwaltungen auskommen, ist für viele ein hübscher Wunschtraum – aber darum geht es nicht in erster Linie. Die Idee hinter »Imagine there’s no countries« ist ja vor allem die Ablehnung der Grenzen, die Ablehnung der Idee, dass Länder menschengleich überhaupt Interessen haben können.
Das ganze Konzept von Staaten und Grenzen, das ist Willkür. Es sind Vereinbarungen, die Menschen getroffen haben, die meistens schon lange nicht mehr leben. Die Idee einer Nation, die sich auf Blut und Boden beruft, wirkt heute nur noch gruselig, und das nicht nur, weil sich die Befreiung von Auschwitz vor ein paar Tagen rund jährte. Letztlich ist alles nationale Denken völlig irrational – was viel zu viele Menschen nicht davon abhält, für Pegida auf die Straße zu gehen, mit der BILD gegen Griechenland zu wettern und vieles mehr.
Kein Wunder, dass wir Piraten uns als eine internationale Bewegung verstehen. Wir müssen aus organisatorischen Gründen natürlich nationale Parteien sein, aber letztlich sind diese Grenzen für uns nur ein Überbleibsel der Vergangenheit. Für mich persönlich war es einer der Gründe, Pirat zu werden, dass es da eine Bewegung gab, die sich – aus Schweden kommend – verbreitete, die international war, die sich nicht um Grenzen kümmerte. Wie auch? Gibt es ein nationales Internet? Gibt es irgendeine Möglichkeit, etwas am Urheberrecht zu verändern, wenn das nicht international gemacht wird? Ist Überwachung nur ein nationales Problem, wenn das gesamte Internet überwacht wird? Haben nur Menschen in einem Land Anspruch auf ein Grundeinkommen? Nein und noch mal ein paar Neins – Politik ist heute international, Piraten sind es auch.
Wie schon mal vor guten zwanzig Jahren, wie schon mal nach einer gewonnenen Fußballweltmeisterschaft, gibt es in diesem Land – in dem wir meistens zufällig leben, denn die Allermeisten sind ja hinein geboren – eine Wiedergeburt des Nationalen. In den Medien und von der Politik vorbereitet, schwappte sie langsam, aber sicher auch auf die Straßen und hat nun eine bedenkliche Stimmung erzeugt. Wenn Flüchtlinge durch die Straßen gejagt werden, wenn Juden sich nicht mehr mit Kippa nach draußen trauen, und es in der Politik immer noch jede Menge Leute gibt, die meinen, sie müssten die rassistischen Parolen »besorgter Bürger« ernst nehmen, dann braucht es eine Gegenkraft, die ihre Internationalität betont und die Politik für alle machen will, die Menschenrechte ernst nimmt, und sie für alle durchsetzen will, und nicht auf Mitglieder irgendeiner Staatsform beschränkt. Eine politische Kraft, die für Menschen da ist, nicht für Deutsche oder für Europäer oder wie immer man auch unterscheiden will.
Wenn wir Piraten diese Kraft sein wollen, dann müssen wir es ernst meinen mit der Internationalität. Dann müssen wir nationale Einzelinteressen so brandmarken, wie sie gebrandmarkt gehören, dann müssen wir auch klar sagen, dass Nationalstaaten ein Konstrukt von vorgestern sind, und dass Grenzen überwunden werden müssen. Ich wünsche mir, dass wir das können, dass wir Piraten diese politische Kraft sind – denn wer sonst könnte es sein?
Quelle: https://www.piratenpartei.de/2015/02/01/wir-denken-international/