Klarmachen zum Ändern!

Anmerkungen zum 1. Mai 2015

in Beitrag von Joachim Paul, Fraktionsvorsitzender der Piratenpartei im Landtag NRW.

»Arbeit, von der man leben kann – das kennen junge Leute nur noch aus Mythen und Märchen: Schneewittchen und die sieben gewerkschaftlich organisieren Kleinwüchsigen mit unbefristeter Vollzeitstelle.«

Martina Hill, in der ZDF-Heute-Show vom 24. April als sächselnde »Mandy Hausten von der Linkspartei«.

Seit 125 Jahren demonstrieren am 1. Mai die Gewerkschaften »für die Rechte der arbeitenden Menschen«. In diesem Jahr lautet das Motto »Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!« Und weiter heißt es:

»Wir wollen diesen Wandel gemeinsam angehen – für mehr gute Arbeit, damit alle etwas davon haben.«

Aber der 1. Mai ist vielfach zu einer routinierten inhaltsleeren Folklore-Veranstaltung verkommen, dessen mediale Resonanz von begleitenden Krawallen oder den Aufmärschen rechter Gruppierungen abhängt. Und auch mit der internationalen Solidarität ist es in Zeiten grenzen- und schrankenloser Globalisierung nicht mehr weit her.

Nein, Antwort aus Griechenland hat Ralf Köpke noch nicht. Aber eine Riesenwelle hat Krefelds DGB-Chef ausgelöst, als er den umstrittenen griechischen Finanzminister Varoufakis zum Maifeiertag nach Krefeld eingeladen hat.

»Das gab einen regelrechten Shitstorm im Netz, mit vielen Kommentaren unterhalb der Gürtellinie«,

sagte Köpke im Gespräch mit der WZ.

»Mit dieser Vehemenz habe ich nicht gerechnet.«

Lage auf dem Arbeitsmarkt

Die drastische Veränderung der Arbeitswelt durch Automatisierung, Digitalisierung und Robotisierung, der zunehmende psychische Stress am Arbeitsplatz, die 24-Stunden-Verfügbarkeit und die wachsende prekäre Beschäftigung bei Solo-Selbständigen wie »Click- oder Crowdworkern« sind als Probleme eben nicht in einer Art Jungfern-Zeugung vom Himmel gefallen.

Auch die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Fraktion »Die Linke« zur Lage auf dem Arbeitsmarkt liefert einen Beleg für die desaströse Situation – und entlarvt die neoliberalen Wasserstandsmeldungen der letzten Jahre in Deutschland, in denen es »den Meisten gut geht«, als kalt kalkulierte Propagandalüge.

Diese Veränderungen folgen dem neoliberalen Wettbewerbsexzess und dem damit verbundenen Werteverlust, der in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte aus der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine Bekämpfung der Arbeitslosen – vor allem durch die HARTZ-Gesetzgebung – gemacht hat und einer Sozialstaatspolitik, die Placebos und weiße Salbe verteilt und die Bürger auf Enthaltsamkeit einstimmt.

Statt als Auffangnetz gesellschaftliche Mindeststandards zu garantieren, mischt der Staat sich zunehmend in das individuelle Leben der Bürger ein – auch durch Überwachung und Reglementierung von Empfängern staatlicher Transferleistungen. So erscheint Sozialpolitik heute vor allem als Ersatz einer schwächelnden Wirtschafts- und Bildungspolitik, der der Glaube an eine bessere Zukunft abhanden gekommen ist.

Wo bleibt die positive nachhaltige Vision?

Wir sind eine hoch produktive Gesellschaft, die mit immer weniger Menschen immer mehr Produkte und vor allem netzbasierte Dienstleistungen erzeugt und daher ohne große Verwerfungen das realisieren könnte, was Mahatma Gandhi einst sagte:

»Wir haben genug für Jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für Jedermanns Gier«.

In den 66 Jahren der bundesdeutschen Geschichte hat es nur wenige Jahre sogenannter Vollbeschäftigung gegeben. Der Stand der technologischen Entwicklung und die sich abzeichnenden Veränderungen einer post-industriellen Gesellschaft, der viel bemühten Informations- und Wissensgesellschaft, könnten endlich das Menschenrecht auf menschenwürdige Arbeit und menschenwürdige Muße realisieren. Auch dann, wenn es schwer fällt, calvinistische Konditionierungen durch einen falschen Leistungsbegriff abzuarbeiten, in denen Freizeit zu Faulheit stigmatisiert wurde.

Wir Piraten haben schon vor einigen Jahren die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in unsere Programmatik aufgenommen und damit eine gesellschaftliche Debatte um das BGE angestoßen.

Wenn dies nicht zu einer gesellschaftspolitischen Fata Morgana verkommen soll, dann sind innerhalb der Partei und gesellschaftlich viele Einzelschritte und Aspekte kontrovers und ergebnisoffen zu diskutieren, die dann in Bestandteile sinnvoller zukünftiger 1.-Mai-Forderungen und in eine entsprechende Parteiprogrammatik münden könnten.

Dazu eignen sich folgende Themenvorschläge als Denkanstöße und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  1. eine Erhöhung des Existenzminimums der Grundsicherung und der Hartz-IV-Regelsätze,
  2. eine Einführung eines selbst zu bestimmenden flexiblen Rentenalters ohne Abschläge ab dem 60. Lebensjahr
  3. eine bessere Verteilung der durch Automatisierung und Digitalisierung »übrig gebliebenen Restarbeit« zugunsten einer Freisetzung von Kreativität und Innovationspotenzial durch selbstbestimmte Tätigkeiten – also stufenweise Arbeitszeitverkürzungen für abhängig und nicht selbstbestimmt Beschäftigte,
  4. die Einführung eines bezahlten Sabbat-Jahres für abhängig Beschäftigte, und
  5. die sukzessive Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens – zunächst für Empfänger von staatlichen Transferleistungen.

Eine überfällige Alternative

Nachdem die wirtschaftliche Wertschöpfung zu einem immer größeren Anteil auf den Einsatz von Maschinen und modernen Technologien fußt, ist es unsinnig, die Kosten der sozialen Sicherung ausschließlich über die Besteuerung des Faktors »menschliche Arbeit« zu finanzieren.

Die schon in der siebziger Jahren von Herbert Ehrenberg in Deutschland und in den 80er Jahren von Walter Dallinger in Österreich angeregte Wertschöpfungs- oder Produktivitätsabgabe gehört deshalb auf die Tagesordnung der parteilichen und gesellschaftlichen Debatten. Wer will, kann es auch »Maschinensteuer« nennen, das ist in der Begriffsführung wesentlich enger, jedoch plastischer.

Es ist die vernünftige Antwort auch auf die erneuten vermeintlichen demographischen Belastungsszenarien, die nur geeignet sind, Altersapartheid und Generationenkonflikte zu schüren, statt die längst überfällige Vermögensverteilungsfrage zu stellen.

Das Volumen der Finanzmärkte beträgt mittlerweile das acht- bis zehnfache, ~800 Billionen € des Weltbruttoinlandsprodukts (2013: ~ 74 Billionen €).

Nach Berechnungen des Instituts für höhere Studien in Wien würde eine EU-weite Finanztransaktionssteuer von 0,1% in Europa jährlich 272 Milliarden € erbringen, bei gleichzeitiger Absenkung des Marktes der Finanzderivate um 85% und des normalen Aktienmarktes um 15%.

Es ist eine menschengerechte Gesellschaft möglich, die sich aus Muße, sinnvollen Tätigkeiten und guter Arbeit bildet. Dies ist die überfällige Alternative zu einer Welt, die aus den Fugen gerät und immer noch Krieg, Armut, Zerstörung der Umwelt und aufkommende rassistische Hetze zu bestimmenden Lebensbedingungen von immer mehr Menschen macht.

Lasst uns gemeinsam eine positive digitale Zukunft entwickeln!

 

Quelle: https://www.piratenpartei.de/2015/04/30/anmerkungen-zum-1-mai-2015/


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