Klarmachen zum Ändern!

Und täglich grüßt die EZB…

Ein Diskussionsbeitrag aus der Arbeitsgruppe Geldordnung und Finanzpolitik.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern wie erwartet weitere Maßnahmen bekanntgegeben, um zu erreichen, dass die Banken mehr Kredite an Wirtschaftsunternehmen vergeben. Dadurch soll die Wirtschaft angekurbelt und mehr Inflation erzeugt werden. Die Erfolgsaussichten sehen aber denkbar schlecht aus.

Bisher kamen die Kredite der Zentralbank an die Banken nicht bei den Wirtschaftsunternehmen oder Haushalten an, obwohl die Zinsen bereits auf einem historischen Tief waren. Das liegt daran, dass die Unternehmen, zum Beispiel in Deutschland, volkswirtschaftlich zu “Sparern” geworden sind (siehe dazu den Monatsbericht Mai 2014 der Bundesbank zur Finanzierungsrechnung auf S.54 im statistischen Teil). Dadurch sinkt auch ihr Potential, sich weiter zu verschulden. Es scheint auch weitere Faktoren zu geben – z.B. Erwartungen an die Zukunft – die verhindern, dass Neuverschuldung stattfindet, selbst wenn der Kreditzins weiter sinkt.

Diese niedrigen Zinsen haben auch Auswirkungen auf die Sparer: Sparer sind eine Quelle von Geld, das in der Wirtschaft inflationär wirken könnte, wenn es verkonsumiert wird. Daher wird beim Sparer zunehmend Angst geschürt. Ihm werden Negativzinsen für Spareinlagen angedroht, die zum “Entsparen” ermuntern sollen. Ob die Besitzer von Geldvermögen ihr Geld jedoch wirklich ausgeben, ist fraglich: Es könnte auch einfach nur zu Umschichtungen in andere Anlagemöglichkeiten führen. Das “Entsparen” würde also nicht den gewünschten, positiven Effekt für die Wirtschaft haben.

Die Zentralbank geht einen anderen Weg, um in den Wirtschaftkreislauf einzugreifen: Geld für den Konsum entsteht auch bei Kreditvergabe – gesucht werden also vor allem neue Schuldner. Langsam wird aber auch der EZB klar, dass es nicht viel an der Investitionsfreude der Unternehmen ändert, wenn man einfach nur die Banken mit fast zinsfreiem Geld versorgt. Gestern versprach die Zentralbank, den Banken weiterhin nahezu unbegrenzt Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen. Aber diesmal – und das ist neu – knüpft sie ihre “Geld-Bazooka” an Bedingungen: Banken bekommen das Zentralbankgeld nur, wenn Sie Kredite an Unternehmen und private Haushalte vergeben. Dabei werden Kredite zum Erwerb von Immobilien explizit ausgeschlossen. So versucht die EZB, die Wirtschaft in den wirtschaftlich schwachen Regionen Europas indirekt anzufeuern. Man könnte auch von einer Kreditlenkung sprechen. Ob das gelingen wird, bleibt offen. Es kann gut sein, dass trotz dieser Maßnahme ähnlich wenig Effekte auf die Kreditvergabe entstehen wie bei den bisherigen “Bazookas”.

Grundsätzlich halten wir diesen Ansatz für richtig. Auch wir Piraten haben auf das Problem der fehlgesteuerten Kreditvergabe von Banken in unserem Programmpunkt »Banken in die  Schranken« unseres Europa-Wahlprogramms aufmerksam gemacht.

Als Deflation bezeichnet man das Gegenteil der Inflation: Die Aufwertung des Geldes mit der Zeit. Dieser Zustand ist volkswirtschaftlich unerwünscht, da er weitere Anreize zum Sparen setzen würde: Denn das Geld würde ja allein durch das Liegen lassen auf dem Bankkonto mehr wert. Der Konsum würde zurückgehen, da die Menschen mehr mit ihrem Geld kaufen könnten, je länger sie damit warten. Ein “Einfrieren” der Wirtschaft wäre die Folge.

Da die Maßnahmen der EZB bisher nicht die erwünschten Effekte in der Wirtschaft bewirkt haben, die Neuverschuldung gering bleibt und auch die Sparer nur unzureichend konsumieren, muss man sich fragen: Was nun? Welche Möglichkeiten bleiben noch, um die Wirtschaft zu stärken und das Schreckgespenst der Deflation zu vertreiben?

Die Zentralbank könnte jederzeit die Angst vor drohender Deflation beenden, denn sie kann ja “Geld drucken”. Sie müsste nur aufhören, allein über den offenbar nicht mehr richtig funktionierenden Kreditmarkt Geld in Umlauf bringen zu wollen. Norbert Häring formulierte dazu im Handelsblatt: »Der EZB-Rat könnte auf der nächsten Sitzung beschließen, dass jedes Unternehmen pro Arbeitsplatz einen Scheck über 500 Euro oder jeder Bürger des Euroraums einen Scheck über 200 Euro oder einen anderen Wert bekommt.«

Dies hätte den volkswirtschaftlichen Charme, dass die Bürger die unerwarteten 200 Euro überwiegend für Konsum ausgeben würden. Die erhöhte Nachfrage könnte auch zu erhöhter Investitionsneigung der Unternehmen führen: Die Unternehmen könnten 500 Euro pro Arbeitsplatz für Realinvestitionen verwenden.

Die Zentralbank könnte aber auch direkt Geld für die öffentlichen Haushalte – etwa zur Sanierung von Verkehrswegen, dem Ausbau von Kindergärten, der Umsetzung von Energiesparmaßnahmen, dem Ausbau der Stromtrassen oder des Breitbandnetzes – bereitstellen. Auch hier würden mehr öffentliche Investitionen zu höheren Einkommen führen  und dadurch würden sich auch die private Nachfrage und private Investitionen erhöhen.

Natürlich ist das ein “Ritt auf der Rasierklinge”: Negative Effekte wie ausufernde Inflation oder zunehmende Ungleichverteilung der Vermögen könnten die Folge sein. Hier könnte aber gezielt über Anpassungen der Steuern entgegengewirkt werden: Im Rahmen der Schuldenbremse haben wir uns mir diesem Thema bereits befasst.

Ein Umdenken der Zentralbank kann also nur funktionieren, wenn auch die Politik umdenkt. Leider ist die aktuelle Fiskal- und Lohnpolitik meilenweit davon entfernt, sinnvoll mit der Geldpolitik zusammen zu arbeiten. Im Gegenteil: Die Strategien von Fiskal- und Lohnpolitik arbeiten sogar gegen die Ziele der Zentralbank. So führen geringe Steuern auf Kapitaleinkommen, Vermögen und Erbschaft zu immer stärker werdender Ungleichheit und somit zu einem Mangel an Nachfrage: Die vielen Bezieher geringer Einkommen werden weniger zahlungskräftig und wenige “Reiche” werden dauerhaft bevorzugt. Die neoliberalen Dogmen, inklusive Austeritäts- und Lohndumpingpolitik, wirken so jedem Wirtschaftsaufschwung entgegen.

Wie Mario Draghi, der Präsident der EZB, gestern in der Pressekonferenz schon erwähnte, werden die angekündigten Maßnahmen nicht die letzten bleiben. Die derzeitigen Probleme werden uns noch eine Weile beschäftigen.

 

Quelle: www.piratenpartei.de


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