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Leere Versprechungen – Hartz IV und die Folgen – Der ökonomische Irrsinn

Der Autor: Boris Turovskiy (@Tur_Bor) aus München ist seit 2009 Mitglied der Piratenpartei. Er koordinierte die Arbeitsgruppe Urheberrecht, leitete die bayrische Landesgeschäftsstelle und ist seit Herbst 2014 Redakteur der Flaschenpost.

Boris Turovskiy

Boris Turovskiy

Die 2004 beschlossene Reform des Arbeitslosengeldes hat für Millionen von Menschen dramatische Auswirkungen gehabt. Von vielen Ökonomen wird sie aber weiterhin als Erfolgsmodell angesehen und sogar als Grund für die aktuelle Stärke der deutschen Wirtschaft herangezogen. Während die Faktenlage unterschiedliche Interpretationen zulässt, zeigt eine analytische Herangehensweise deutlich, dass das ALG-2-System ein ökonomischer Irrsinn ist.

Der strukturelle Fehler von Hartz IV, aus dem weitere Probleme zwangsweise folgen, besteht darin, durch extreme Anrechnungsquoten den ökonomischen Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu vernichten. Nur 20% des erzielten eigenen Einkommens bleiben dem ALG-2-Empfänger übrig, den Rest behält der Staat ein. Zum Vergleich: der Spitzensteuersatz beträgt 45%, der Eingangssteuersatz für Menschen mit geringem Einkommen, die kein ALG 2 beziehen, liegt bei gerade mal 15%. Dass hohe Steuersätze die Arbeitsmotivation verringern, ist gerade unter liberalen Politikern unumstritten, es ist der Grundgedanke hinter dem Slogan “Leistung muss sich wieder lohnen”.

Umso unverständlicher ist es, dass dieselben Politiker die absurd hohe Anrechnung bei Arbeitslosengeldempfängern gutheißen. Deren Folge ist nämlich unweigerlich, dass die Bereitschaft, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen, sinkt. Um dem entgegenzuwirken, wurden Sanktionen und Schikanen eingeführt, um das Leben der Betroffenen möglichst unangenehm zu machen und sie so auf den Arbeitsmarkt zu zwingen.

Die Fehlanreize, die durch die Ausgestaltung von Hartz IV entstehen, bringen den gesamten Arbeitsmarkt in Schieflage. Arbeitgeber nutzen die Lage der ALG-2-Empfänger aus, um niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen anzubieten, als es auf einem freien Arbeitsmarkt möglich wäre. Das ist nicht nur eine verdeckte Quersubventionierung von Unternehmen durch das Sozialsystem, sondern führt auch unmittelbar zu einem Teufelskreis. Wenn der Niedriglohnsektor wächst, verringert sich die Einkommenslücke zwischen Geringverdienern und Leistungsempfängern. Das wiederum verringert sowohl den Abschreckungseffekt – wenn ich ohnehin kaum mehr verdiene, als ein Hartz-IV-Empfänger, ist die Perspektive des Jobverlustes nicht mehr so dramatisch – als auch die Anreize, aus Hartz IV rauskommen zu wollen (nicht nur würde der Staat 80% des erzielten Einkommens einbehalten, sondern auch dieses Zusatzeinkommen selber würde immer weiter schrumpfen). Dass Aufstocker, die trotz Erwerbstätigkeit auf ALG-2-Leistungen angewiesen sind, fast ein Drittel der Leistungsempfänger ausmachen, ist eine Bankrotterklärung des Systems.

Der Versuch, das “Lohnabstandsgebot” zu erfüllen, indem die Höhe der Transferleistungen verringert und die Bedingungen für Hartz-IV-Empfänger immer weiter verschlimmert werden, ist zum Scheitern verurteilt. Zum einen ist der Spielraum nach unten mittlerweile ausgeschöpft, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt feststellte. Zum anderen wird dadurch das Problem nicht gelöst, denn je mehr Druck auf die Leistungsempfänger ausgeübt wird, desto weiter können Unternehmen die Löhne drücken – der Teufelskreis bleibt bestehen.

Der nun eingeführte Mindestlohn ist erfolgsversprechender, aber auch er ist nur eine Notlösung, solange 80% des Einkommens von Leistungsempfängern angerechnet werden. Ein Brutto-Mindeststundenlohn von 8,50 € entspricht dann einem Nettoverdienst von nur 1,70 € pro Stunde, was kaum als überzeugender Anreiz wirkt. Der Teufelskreis kann nur durchbrochen werden, indem dessen Wurzel angegangen wird, der ökonomische Anreiz zur Arbeitsaufnahme also wieder eine entscheidende Rolle einnimmt. Es bedarf weder eines “Förderns”, noch eines “Forderns” von Leistungsempfängern, wenn sie ihren Wohlstand durch Aufnahme bezahlter Arbeit spürbar erhöhen können. Und durch den Wegfall von Zwängen wird auch sichergestellt, dass Unternehmen höhere Löhne zahlen müssen – was die finanzielle Lage Erwerbstätiger im Vergleich zu Arbeitslosen verbessert und so den Anreiz zur Arbeitsaufnahme weiter steigert.

Konsequent zu Ende gedacht führt das zu nichts anderem als einem bedingungslosen Grundeinkommen, welches die Piratenpartei seit langem fordert.

 

Quelle: http://www.piratenpartei-nrw.de/2015/01/05/leere-versprechungen-hartz-iv-und-die-folgen-der-oekonomische-irrsinn/


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